Freiheit

Persönliche und gesellschaftliche Freiheit hat einen hohen Wert in unserer abendländischen Gesellschaft. Beispielsweise die Meinungsfreiheit.

Sie hat einen so hohen Wert, dass sie über Leichen geht. Es ist allgemein bekannt, dass die Zahl der Verkehrstoten mit der Verkehrsgeschwindigkeit zusammenhängt. Doch statt hier sofort zu reagieren und den Fahrspaß und die Freiheit einzuschränken, wird jahrelang diskutiert, inwieweit wir als Gesellschaft die Freiheit beim Gasgeben beschränken dürfen. Freie Fahrt für freie Bürger.

Auch jetzt – aktuell mit der Corona-Epidemie und der Maskenpflicht – gehen einige Menschen auf die Straße, weil sie sich in ihrer persönlichen Freiheit und in ihren bürgerlichen Rechten eingeschränkt sehen. Die Pflicht, im Öffentlichen Nahverkehr eine Maske zu tragen, ist eine Pflicht, die die persönliche Freiheit unzumutbar einschränkt.

Bei diesem aktuellen Beispiel sieht man schön, wie man sich an Pflichten und Gesetze gewöhnen kann, ohne dass man sich jederzeit eingeschränkt sieht. An die Schulpflicht – als Beispiel – haben sich die meisten Menschen gewöhnt und folgen ihr. An das Rauchverbot in der Gastronomie haben wir uns gewöhnt und halten uns dran. Auch an die vielen Regeln im Straßenverkehr halten sich die allermeisten Menschen.

„Kaum einer fährt dauerhaft links.“

Die persönliche Freiheit ist ein äußerer und innerer Wert. Der äußere Wert manifestiert sich oft symbolisch, beispielsweise durch eine „freie Fahrt für freie Bürger“. Manchen Leuten mag äußere Freiheit reichen.

Wie aber sieht es mit der innerer Freiheit aus?

Wo beginnt und wo endet sie?

Manche Typen von Menschen mit einem ausgeprägten Freiheitsdrang finden immer wieder Dinge und Sachverhalte, von denen sie glauben, dass sie sich ihnen beugen sollen – es aber nicht wollen. Ihr Freiheitsdrang ist immens und sie fühlen sich schnell bedrängt und wollen sich aus einer gewissen Abhängigkeit befreien. Ob vom Staat oder ihrem Partner.

Unterdrückung und Abhängigkeit sind immer (eine Gefahr).

Dort, wo die Verteidigung der Freiheit propagiert wird, wird die existierende Unfreiheit groß geschrieben. Doch geht es mir hier nicht darum, dieses Empfinden oder Erleben von Unfreiheit in Frage zu stellen.

Was ist innere Freiheit?

Mich bewegt viel mehr die Frage um die innere Freiheit. Was ist innere Freiheit? Ist es allein das Gefühl, unabhängig zu sein? Wann stellt sich das Gefühl ein?

Ich bin der Meinung, dass unsere Empfindungen und Gefühle eine Reaktion auf unsere Gedanken sind. Diese Gedanken laufen in den meisten Fällen unbewusst ab, aber sie sind da und wir erleben sie wie eine Art atmosphärisches Hintergrundrauschen.

Zu diesen Gedanken gehören auch unsere Denkmuster und Meinungen über uns selbst. Wenn wir der Meinung sind, dass wir uns nichts vorschreiben lassen wollen, oder wenn wir denken, die meisten Menschen um uns herum sind „böse“ und wollen uns schaden, dann befinden wir uns in einer ständigen Abwehrhaltung, die sich in unserem Denken und Tun manifestiert.

Sie betonen ihr Recht auf Unabhängigkeit und ihren unbändigen Willen, frei zu leben, und reagieren bockig, sobald sie ihre Freiheit in Gefahr sehen.

Einmal mehr kommt das Bild vom Eisberg zum Tragen: Das Reden und Denken über Freiheit und Unabhängigkeit sind nur ein Bruchteil der wahren Größe des Themas.

Die eigentlich treibende Kraft sind die seit langer Zeit verankerten Gedanken über persönliche Gefährdung, Übergriffigkeit der Mitmenschen, eine persönliche Unfreiheit, die in der grauen Vorzeit unserer Kindheit durch Erzieher geprägt wurde und sich – leider – immer noch anfühlt, als wäre sie auch aktuell gültig.

Dieses mentale Hintergrundrauschen aus Überzeugungen über uns selbst und den Meinungen über unsere Umgebung macht uns zu in unserer Freiheit „bedrohten“ Menschen.

Angesichts eines solchen mental etablierten Mindsets ist nicht zu erwarten, dass der Kampf um die persönliche Freiheit irgendwann einmal ein Ende finden wird.

Die Menschen, die Tag für Tag ihre innere Freiheit verteidigen oder für sie kämpfen, führen einen Kampf, der nie enden wird. Der Kampf ist das Ziel, nicht die Freiheit.

Das Gefühl von Unfreiheit löst sich nicht auf, wenn ein kleiner Kampf gewonnen wurde, Gerechtigkeit hergestellt wurde, sondern nach diesem Kampf rutschen neue Ungerechtigkeiten und Gefährdungssituationen in die Lücken, die sich nach jedem erfolgreichen Kampf auftun.

Wenn ich mir diese Kämpfer für Freiheit auf eine sonnige Südseeinsel vorstelle, wo sie tun und lassen können, was sie wollen, fällt es mir gleichzeitig schwer mir vorzustellen, dass sie mit ihrer Situation zufrieden sind.

„Der Kampf um Freiheit ist eigentlich der Kampf gegen die inneren Mühlen, ohne dass wir es bemerken.“

Wir bekämpfen äußere Umstände, weil es irgendwann einmal äußere Umstände waren, die unsere menschliche Würde in Frage gestellt haben, die unsere Lebendigkeit unterdrückt haben – und diese äußere Gefährdung durch Erzieher und Mitmenschen haben wir internalisiert.

Passend dazu:  Die 7 Schritte zur inneren Freiheit und wie du dabei dein Potential entdeckst

Diese Internalisierung ist eine Art mentaler Suizid.

Der Feind der Freiheitskämpfer sind nicht die äußeren Umstände, sondern die inneren.

2 Menschen sitzen auf der Bank und reden

Die Welt, in der wir leben und die unsere nächste Umgebung darstellt, ist bei genauer Betrachtung sehr einfach. Unsere Mitmenschen gehen, laufen, sitzen, reden, schlafen, stehen auf, essen, betrachten, riechen usw. Wenn man die Menschen so sieht, als wären es Lebewesen wie unsere Haustiere mit dem selben eingeschränkten Verstand, dann kann man feststellen: Unser aller Leben ist sehr einfach und unschuldig.

Was aber macht dann unser Leben so komplex? Was an diesem einfachen und unschuldigen Leben bedroht uns dermaßen, dass wir ständig Angst um unser Leben haben?

Was uns als Menschen auszeichnet ist unser Verstand, der uns befähigt, nicht reflexartig zu reagieren, sondern zu überlegen.

Das heißt, wir sehen oder betrachten etwas und überlegen, welche Bedeutung hat das eigentlich für, was wir gerade erleben. Das fängt bei den kleinen Dingen an und hört bei den großen Sachverhalten auf.

Wir sehen, wie ein Mann bei seinem parkenden Auto den Motor laufen lässt (Tatsache), und verurteilen ihn als Umweltsünder, weil es nicht zu unseren Klimaschutzgedanken passt (Glaubenssatz).

Wir hören, dass der Mann unserer besten Freundin mit einer anderen Frau fremdgeht (Tatsache), und verurteilen es als asozial und schäbig, weil sein Verhalten nicht zu unserer Einstellung von Ehe passt (Glaubenssätze).

Egal was wir sehen, egal was wir hören – wir kleistern jede Tatsache zu mit unseren Gedanken und halten sie für unser aller Realität und Wirklichkeit. So ein Quatsch.

Ein Mann, der fremdgeht, ist zunächst einmal nur ein Mensch, der nicht nur mit seiner Ehefrau schläft, sondern auch mit einer anderen Frau. Das ist der Sachverhalt, nüchtern betrachtet.

Zu einer „Sünde“ wird sein Verhalten erst durch das Urteil der anderen, die aufgrund ihrer Überzeugungen ein anderes Verhalten erwarten. Es sind also unsere Urteile und Einstellungen, die unsere Realität kreieren.

Warum ist das wichtig zu verstehen?

Egal ob wir Träumer sind oder sogenannte Realisten, egal ob wir die Welt schönreden oder schlecht machen, es bleibt sich am Ende gleich: unsere Realität ist weitestgehend eine Erfindung unseres Verstandes.

Der Realist merkt nicht, wie und wieviel Realität er erfindet. Der Illusionist merkt nicht, dass seine Utopien niemals Realität werden können, weil eben jede Realität nur von unserem Verstand erdacht wird.

„Unsere Realität ist eine Illusion, und gleichzeitig ist genau diese Illusion unsere Realität.“

Die Welt so betrachtet stellt sich die Frage, wie geht man mit den Bedrohungen für unser Leib und unser Leben umgeht? Wie geht man mit den „realen“ Einschränkungen unserer Freiheit um, wenn diese Einschränkungen nur Auswüchse unseres Verstandes sind?

Wir sollten anfangen, die sogenannten Bedrohungen als unsere selbst produzierten Gedanken zu sehen und sie als solche zu akzeptieren.

Unsere Denkmuster bleiben ein Leben lang dieselben und treiben uns immer wieder zu den selben Handlungen und Verhaltensmustern an. Es sei denn, wir ändern unser Denken.

Und da beginnt die innere Freiheit.

Wir müssen uns nicht aus äußeren Zwängen befreien, sondern von unseren Mustern, die genährt werden von Glaubenssätzen und Überzeugungen. Sie sind der bewegliche Teil unserer Realität. Die Manövriermasse, die wir jederzeit umschichten und umformen können und uns damit neu erfinden.

Wer sich neu erfindet, erfindet auch eine neue Realität. Seine.

Realität ist das, was wir denken. Und die innere Freiheit ist Möglichkeit, seine Realität neu zu sehen und zu denken.

Abhängigkeit sind wir von vielen Dingen, ohne dass es uns wirklich juckt. Angefangen bei unserem Atmen. In jeder Minute 16 Mal.

Ekke über sich: „Den Sinn meines Lebens sehe ich darin, die Lücke zu füllen, die ohne mich nicht wäre. Diese Lücke öffnet und schließt sich täglich neu.“

Mehr von Ekke Scholz auf seiner Homepage.

2 Kommentare

  1. Das mit der Illusion und Realität hast du gut beschrieben. Siehst, es gibt immer wieder Dinge, wo man dazu lernen kann. Vielen Dank!

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