Gespräch unter Freunden

Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du fängst an, mir Ratschläge zu geben, hast du nicht das gemacht, worum ich dich gebeten habe.

Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du fängst an, mir zu sagen, weshalb ich mich nicht so fühlen sollte, trampelst du auf meinen Gefühlen herum.

Wenn ich dich bitte, mir zuzuhören, und du hast das Gefühl, du müsstest etwas tun, um mein Problem zu lösen, hast du mich, so seltsam das auch klingen mag, im Stich gelassen.

Höre mir zu!

Nur darum habe ich dich gebeten: mir zuzuhören.

Nicht zu sprechen oder irgendetwas zu machen.

Mich einfach nur anzuhören.

Etwas tun kann ich selbst. Ich bin nicht hilflos.

Vielleicht entmutigt und zaghaft, aber nicht hilflos.

Wenn du etwas für mich tust, was ich selbst für mich tun kann und muss, trägst du zu meiner Angst und meinem Gefühl der Unzulänglichkeit bei. Wenn du es aber als eine Tatsache akzeptierst, dass ich mich so fühle, wie ich mich fühle, so irrational es auch wirken mag, brauche ich nicht mehr zu versuchen, dich zu überzeugen, und kann daran gehen, zu verstehen, was hinter diesem irrationalen Gefühl steckt.

Und wenn das klar ist, sind die Antworten offensichtlich und ich brauche keine Ratschläge.

(Von Dr. med. Ralph Roughton)

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4 Kommentare

  1. Hallo Coach Rainer,
    sehr schöner Artikel – ich selbst beschäftige mich intensiv mit Themen wie Präsenz und was man damit alles erreichen kann. Zuhören ist ein Teil der Präsenz, die in der Welt der Erwachsenen so oft vergessen wird. Für Kinder ist sie hingegen noch allgegenwärtig.
    Würde mich über einen Dialog freuen. Du findest mich unter https://www.frankoster.de – ich bin der Autor des Buches „Du bist, wer Dich kennen will“ VG und guten Rutsch, Frank

  2. Verstehe ich das richtig? Das Gegenüber soll zuhören, ohne irgendwie zu reagieren? Nicht zu sprechen oder irgendetwas zu machen. Was soll das bringen? Dann man doch zu einem Bild sprechen! Auch ich habe mit meinen Kollegen gesprochen, als ich Probleme hatte. Vielleicht etwas zu viel. Vielleicht habe ich meine Kollegen überlastet damit. Aber ich habe immer eine „Second Opinion“ hören wollen. Was bringt mir das, wenn jemand mir reaktionslos zuhört? Oder nur ab und zu „hm-hm“ sagt? Oder einfach nur Zeit opfert, damit ich sprechen kann? Geht es darum? Dass ich wichtig genug bin, dass der andere seine Zeit opfert, damit ich meine Gedanken loswerde? Und der andere muss dann absolut perfektes Zuhören praktizieren? Das ist enorm viel verlangt! Es hat schon einen Grund, warum die Psychologen 150 Euro pro Stunde nehmen. Es gibt auch den Ratschlag, die Aussage des Gegenübers mit eigenen Worten zu wiederholen. Das sogenannte „aktive Zuhören“. Mag ich nicht! Ich will nicht meine eigenen Erkenntisse aus dem Mund eines anderen hören. Da könnte ich auch mit mir selber sprechen. Ich bin an anderen Ansichten interessiert.

    • Zuhören, wenn jemand etwas auf der Seele lastet, die Trauer und Wut des anderen aushalten, so einfach ist das nicht. Aber man kann es, wenn man will und dem anderen Menschen nahe ist. Es gibt die Besserwisser und die Unberührbaren. Beide helfen im Moment der Not nicht weiter. Wenn ein Mensch ein Problem hat, dann braucht er erst einmal Bestätigung und evtl. einen Rat aus dem persönlichen Erfahrungsschatz. Reden tut einfach gut und jemand bei dem es auch ankommt, sonst kann man wirklich gegen eine Wand reden.

      • Reden tut gut – ich verstehe das! Die Trauer und Wut des Anderen aushalten ist nicht einfach – und dies sollte auch nicht so ohne Weiteres eingefordert werden. Richtig zuhören ist anstrengend, dessen sollte sich der Redende bewusst sein. Es scheint mir, dass viele Redende und Ratsuchende Mühe haben, sich in die Situation des Zuhörers zu versetzen. Hier werden viele Regeln und Anforderungen für den Zuhörer beschrieben. Vielleicht sollten auch einige Regeln für die Redenden definiert werden. Die Rede kurz halten. Den Zuhörer nicht überfordern. Nicht wiederholt perfektes Zuhören einfordern – es ist sehr anstrengend für den Zuhörer. Nicht nur Dampf ablassen, weil das ja so gut tut, sondern sich um adäquate Lösungen bemühen, damit nicht wiederholt das Gleiche angehört werden muss.

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