Sich vergleichen

Der Vergleich mit anderen Menschen – so wie wir es von Kindesbeinen an gelernt haben –, ist ein Appell an unsere sozialen Instinkte, die nach sozialer Integration streben. Wir wollen keine Außenseiter sein, sondern suchen unser Glück und Heil in einer Gemeinschaft, in der wir angenommen sind.

Die allermeisten Vergleiche sind ein unfreundlicher Wink mit dem Zaunpfahl, dass wir nicht OK sind, so wie wir sind. Kaum hören wir den Vergleich, befürchten wir ausgeschlossen zu werden und verlieren den Boden emotionaler Sicherheit unter uns.

Wir können wir uns in vielerlei Aspekten vergleichen. Zu den Top 5 des Vergleichens gehört der Körper. Seinen eigenen Körper mit dem Körper eines anderen Menschen im Sommer zu vergleichen ist relativ einfach, gerade im Sommer. Die Gewissheit, dass der Sommer kommt, ist ja für viele ein Horror.

Egal wie du gebaut bist oder aussiehst: es gibt immer jemanden, der weniger Falten hat, straffere Haut, einen flacheren Bauch. Kräftigeres Haar, größere Brüste. Muskulösere Oberarme, breitere Schultern. Ein teureres Auto.

„Leider fixieren wir uns zu oft auf die Menschen, die uns emotional in den Keller ziehen.“

Körper, Klamotten, Statusdenken, intellektuelle und künstlerische Fähigkeiten, Muttersein, Vatersein, Karriere. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu vergleichen. Ja selbst spirituelle Menschen, die sich von irdischen Werten distanzieren, vergleichen sich mit ihren spirituellen Freunden: „Marion ist schon viel weiter (erleuchteter) als ich es bin.“

Wenn wir uns vergleichen – es sei denn, wir sind ein selbstgefälliger Narzisst – , denken wir uns automatisch auf einer virtuellen Skala – ans negative Ende.

Wenn wir uns ‚realistisch‘ einordnen würden und die Menschen einbeziehen würden, die noch reicher sind, die noch besser kochen, die noch liebevoller mit ihren Kindern umgehen, dann hätten wir auf dieser Skala einen Platz irgendwo in der Mitte. Wir wären Durchschnitt. Ein Nobody.

Aber wollen wir nicht alle jemand Besonderes sein?

Was sagt das über uns aus?

Unser Geist arbeitet daran, uns selbst schlecht zu machen. Das klingt im ersten Moment unglaubwürdig: weil es uns ja dadurch schlecht geht!

Doch ist es ein Irrtum zu glauben, unser Verstand und Geist würde für unser Wohlbefinden sorgen.

Unser Geist sorgt dafür, dass wir unbeschadet durchs Leben kommen. Das ist etwas anderes.

„Und wenn wir uns vergleichen, geht es uns meistens schlecht.“

Und wenn es uns schlecht geht, werden wir aktiv. Das wollen wir sofort ändern, am liebsten beenden. Der damit verbundene Stress ist der Antreiber für unsere nächsten Optimierungsanstrengungen.

„Dein Neid ist mein Antrieb!“ lautet ein selbstgefälliger Spruch. Ja, Neid und Vergleiche sind ein Motor vieler in unserer Gesellschaft.

Leider erstreckt sich dieses Motiv in alle Lebensbereiche. Selbst beim Wellness gibt es Stress: Wer hat den besseren Yoga-Coach? Wer ist gelenkiger? Wer kann sich besser in die Meditation vertiefen?

Wenn wir für einen Vergleich gezielt nach Menschen Ausschau halten, die uns runterziehen, könnten wir genauso gezielt nach Menschen Ausschau halten, die unsere Gemütslage heben. Aber das tun wir nicht.

Leider haben viele Zeitgenossen mittlerweile durch neurotisches Vergleichen jegliches Selbstwertgefühl verloren.

Schutz vor Ansprüchen

Vergleiche machen uns klein, winzig klein. Unter dem Deckmantel von Bedeutungslosigkeit finden wir einen Rückzugsraum fern von allen Ansprüchen. Den Ansprüchen der anderen an uns und unseren Selbstansprüchen. Bedeutungslosigkeit ist erholsam.

Eine laut daher geplapperte „Selbstanzeige“ wie „Ich bin zu doof dafür“ nimmt unseren Kritikern den Wind aus den Segeln. Das betrifft natürlich auch den inneren Kritiker, der Perfektionismus anmahnt.

Passend dazu:  Ein Leben für den Augenblick, oder: Ein glückliches Leben ist kein perfektes Leben

Auf der einen Seite erzeugt das Sich-Selbst-Schlechtmachen eine Knautschzone vor überhöhten Ansprüchen. Auf der anderen Seite bringt uns der Vergleich um unser Selbstvertrauen.

Keine Chance

Beim Vergleich bist du immer der Verlierer. Immer. Es ist wie beim gedankenlosen Perfektionismus. Viele Menschen wollen perfekt sein, ohne wirklich genau zu wissen, was das am Ende bedeutet.

Vielleicht haben sie etwas gut erledigt, vielleicht sogar super gut, aber „leider ist es nicht perfekt geworden“. Sie vertrösten sich selbst und andere damit, es beim nächsten Mal besser zu machen.

„Wer nach Perfektion strebt, wird mit einem rastlosen Leben bestraft.“

Je mehr sie sich anstrengen und etwas perfekt machen wollen – ohne dass es gelingt –, desto mehr nagt es an ihrem Selbstvertrauen: „Verdammt! Wieder nicht geschafft! Dann eben beim nächsten Mal“

Wie aufhören sich mit anderen zu vergleichen?

Wir müssen bei unseren Werten und Glaubenssätzen ansetzen. Denn wo sie ins Spiel kommen, vergleichen wir uns. Zum Beispiel Status, Gesundheit, Körper, bestimmte Fähigkeiten wie Musikalität usw.

Bei diesen Werten vergleichen wir uns mit Menschen, zu denen wir aufschauen und die wir beneiden. Vielleicht idealisieren. Idolisieren.

„Wir vergleichen uns auf einer sachlichen Ebene, aber leider trifft es uns auf der emotionalen Ebene.“

Der Vergleich zwingt uns zu mehr Anstrengungen: Mehr Faltencreme, mehr Überstunden für mehr Geld für teurere Klamotten für exklusiveren Urlaub für mehr Anerkennung für mehr Liebe und für mehr Gebete: Lieber Gott, gib auch mir das, was du den anderen gegeben hast.

Es ist also eine Frage der Werte.

Wer bestimmt deine Werte?

Du selbst bist es.

Wenn du dich also nicht länger mit anderen Menschen vergleichen willst, mach dir deine Werte bewusst. Beobachte dich, wann du dich mit wem vergleichst. Welche Bedeutung haben die Dinge für dich, bei denen du dich vergleichst? Welche Werte verkörpern die Menschen, die du idealisierst?

Werde dir außerdem bewusst, dass du beim Vergleich immer ein Stück weit in der Zukunft bist oder den Kontakt mit deiner Gegenwart verlierst. Wenn du deine grauen Haare mit denen deines Freundes vergleichst, bist im Geist bei deinem Freund und kannst gar nicht sehen, was du jetzt – hier und heute – hast. Wer du bist!? Was du machst und wofür du dich begeistert. Wofür du lebst. Hier und Jetzt.

Du versetzt dich beim Vergleich in eine imaginierte Zukunft. Ohne Garantie, diese zu erleben. Bleib im Hier und Jetzt und genieße das, was du hast. Wenn du das siehst, dann brauchst du nicht mehr. Du bist genug und du hast genug.
Das Vergleichen macht dich nicht nur unglücklich, sondern hinterlässt auch ein Gefühl von Leere.

Höre lieber heute als morgen auf dich zu vergleichen. Komm zu dir selbst und entdecke dich, wie du bist. Ohne Vergleich ist der Blick wieder frei für dich selbst.

Selbst wenn du dich Stück für Stück zu einem imaginiertem Optimum hin entwickelst, könnte trotzdem auf deinem Grabstein stehen: Leider hat sie die Pausenbrote für ihre Kinder nicht so gesund zubereitet wie ihre Freundin Bea.

Ekke über sich: „Den Sinn meines Lebens sehe ich darin, die Lücke zu füllen, die ohne mich nicht wäre. Diese Lücke öffnet und schließt sich täglich neu.“

Mehr von Ekke Scholz auf seiner Homepage.

Photo by Andrea Piacquadio from Pexels

 

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