
Wenn ich Freunde und Bekannte frage, was ihnen regelmäßig den Spaß an der Arbeit vergraullt, dann höre ich immer wieder: „Die blöden Spielchen, die bei uns ablaufen!“ Das kommt dir bekannt vor? Dann betrachten wir mal so ein dämliches Spiel.
Als ich noch Area Sales Manager im Möbelhandel war, musste ich jedes Quartal meinem CEO berichten. Jedes Quartal lief dasselbe dumme Spiel ab: Zwei Wochen vor dem Termin legte ich meinen Bericht vor. Alles zusammen immerhin immer ca. an die 100 Seiten mit Tabellen, Analysen, Grafiken und Maßnahmenpaket. Dann wurde das Ganze übersetzt, kopiert, gebunden und an den kompletten Aufsichtsrat verschickt. Danach war erst mal Ruhe. Dann, am Nachmittag vor dem Gespräch, ruft mich der CEO an und mekert los: „Die Tabelle auf Seite 12 ist erklärungsbedürftig: Schreiben Sie da noch zwei, drei Zeilen dazu. Und auf Seite 53: Da kennt sich doch niemand aus. Das kann doch nicht ihr ernst sein! Also unbedingt noch umformulieren. Und die Maßnahmen auf Seite 80 sind viel zu oberflächlich, da müssen sie noch ….“. Und so weiter, und so weiter. Dann geht die ganze Hektik los. Und so, oder so ähnlich, lief das jedesmal.
Innerhalb von 12 Stunden wird buchstäblich über Nacht von mir, meinen Führungskräften und einigen weiteren Angestellten verlangt, das komplette Werk zu überarbeiten. Alle sind stinksauer auf den Aufsichtsratsvorsitzenden. So macht die Arbeit keinen Spaß. Also habe ich allen Mut zusammengenommen, und mich dem Aufsichtsrat entgegengestellt. Ich appellierte an den Aufsichtsratsvorsitzenden: „Bitte geben Sie uns Ihre Wünsche und Anmerkungen früher“.
Was denkt ihr ist passiert? Worauf tippt ihr? Richtig: Die gut gemeinten Appelle perlen am Aufsichtsratsvorsitzenden ab wie ein Regentropfen auf einer Lotusblüte. Der Mann ist und bleibt ein Egomane, der ein munteres Spielchen daraus macht, dass andere Leute in letzter Sekunde seine Launen ertragen müssen. Seine Begründung: „Nur wer sich unter Stress bewährt, ist eine gute Führungskraft!“ Mit solchen dämlichen Sprüchen ist er vermutlich Aufsichtsratsvorsitzender geworden. Da hilft nur noch ein kräftiger Tritt in den Hintern? Na! Eine kluge Führungskraft muss nicht gleich zugreiflich werden:
Freude bei der Arbeit ist nicht Bringschuld, sondern Holschuld!
Wir alle sagen oder denken manchmal: „Wenn nur der Idiot nicht wäre, dann würde das alles mehr Spaß machen.“ Diese Feststellung stimmt zwar, aber das Prinzip dahinter nicht. Wenn wir darauf warten, dass ein Vorgesetzter, Kunde, Ehepartner, Freund uns den Spaß auf dem Silbertablett ans Bett bringt, dann können wir bei manchen Zeitgenossen warten, bis Donald Trump einen Benimmkurs macht. Warten bringt nichts. Holen bringt’s.
Also wurde ich nochmals aktiv. Anstatt bibbernd auf den nächsten Arroganzanfall des Aufsichtsratsvorsitzenden zu warten, rief ich alle 14 Tage alle Aufsichtsratsmitglieder für zehn Minuten an und erstattete kurzen Bericht. Wenn dabei Fragen auftauchten, tauchten sie lange vor dem Verfassen des Berichts auf und konnten lange vorher geklärt und im Bericht berücksichtigt werden. Sie zog ich praktisch die Korrekturphase vor.
Seither entfallen die nächtlichen Panik-Aktionen. Wenn der Aufsichtsratsvorsitzende in letzter Minute noch Korrekturen hat, betragen diese nur noch einen Bruchteil der alten Korrekturlawine. Die Vergleichsrechnung: 6 Aufsichtsräte mal 10 Minuten mal sechs Wochen (pro Quartal) ergibt 360 Minuten oder 6 Stunden. Was ist das schon im Vergleich zu den mindestens 5 Leuten, die für die übliche Hektik-Korrektur mindestens einen Tag und eine Nacht benötigen?
Wenn man ein blödes Spiel mit dir spielt: Denk voraus! So weit, dass der Anlass für das Spielchen entfällt
Manchmal ist das ganz einfach. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich von Geschäftsreisen heimkehrte und am Nachmittag des Rückkehrtages pflichtbewusst und selbstverständlich noch ins Büro ging: An Arbeit war nicht zu denken. Alle hatten nur darauf gewartet, bis ich wieder da war, um mir ihre neuesten Sorgen und Probleme auszubreiten oder meine Unterschrift für alles Mögliche einzuholen. Wenn ich endlich dazu kam, meine in der Abwesenheit aufgelaufene Korrespondenz zu sichten, war es meist schon Feierabend. Die, die mir die Zeit gestohlen hatten, gingen natürlich in den Feierabend – und ich machte Überstunden. Dieses blöde Spiel stank mir gewaltig. Also stoppte ich es. Ich ging einfach nicht mehr hin.
Vermisst hat mich keiner. Wenn ich dann erst am nächsten Tag um 8 wieder ins Büro ging, konnte ich mit allen reden – und trotzdem mein normales Arbeitspensum schaffen. Ohne Überstunden. Wie gesagt: Manchmal ist es ganz einfach, sich seine Freiheit und Freude zurückzuholen. Zum Beispiel auch beim eMail-Chaos.
Du kennst das ja: E-Mail-Pingpong. Ich schicke zum Beispiel eine Bestellung raus, die etwas von den üblichen Katalog-Positionen meines Lieferanten abweicht. Er mailt mir zurück: „Frage zu Position 4: Wie meinen Sie das?“ Ich maile ihm die Antwort. Er bestätigt mir – falsch. Er hat da offensichtlich was missverstanden, also maile ich ihm die Klärung, er hat noch eine Frage dazu – und so weiter. Was das Zeit kostet! Und Nerven! Und Spaß frisst! Ich spiele dieses doofe Spiel nicht mehr:
E-MaiI-Pingpong? Spätestens bei der dritten Runde greife ich nicht zur Maus, sondern zum Telefonhörer!
So schnell geht manchmal der Ausstieg aus einem Büro-Spielchen, und der Spaß ist wieder da.
Ändere deine Sichtweise! Blöde Spielchen bei der Arbeit? Sage dir: Ohne mich!
Probiere dafür doch mal das Direkt-Rezept. Mein Vorbild hier, war mein alter Senior-Chef. Er würgte jedes Spielchen schon im Ansatz ab: Wenn ich ihm etwas faxte, ging er nicht den Umweg über Sekretärin und Antwortbrief, sondern schrieb seine Antwort direkt auf mein Fax und faxte dessen Kopie zurück. Das Rezept kopieren heute viele gute Führungskräfte, die es satthaben, von der E-Mail-Domina ständig an den PC gefesselt zu werden: Sie schreiben ihre Antworten direkt in die eingehende Mail rein. Andere Manager sagen mir: „Jede Mail, die länger als ein Bildschirm ist, lösche ich sofort!“ Seit das jeder E-Mail-Schreiber im Unternehmen weiß, hält sich auch jeder dran: Keine Spielchen! Auf diese Weise erkenne ich übrigens gute Führungskräfte schon an ihrer Geschäftskorrespondenz: Da steht bezeichnend oft „Passt!“, „Genehmigt“ oder einfach nur „Okay!“ auf Anträgen oder Anfragen von Mitarbeitern. Das ist Kommunikation. In fünf Sekunden erledigt. Ohne blöde Spielchen. Keine Aktenzeichen, Bezugnahme, Anrede, Einleitung, Begründung und Schlusswendung. Einfach nur: „Okay!“
Wäre es nicht toll, wenn alles so einfach wäre?