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Zuhören

Die meisten Menschen verbringen etwa 85% ihrer „wachen“ Stunden in irgendeiner Form der Kommunikation. Wir haben jahrelang in der Schule lesen, richtiges sprechen und schreiben gelernt. Doch wie viele von uns haben jemals eine formelle Ausbildung in der Kunst des Zuhörens genossen? Wenn jemand etwas sagt, dann will er auch verstanden werden. Doch die meisten Menschen hören nicht zu, um zu verstehen – sie hören zu, um zu antworten. Und hier liegt der Hund begraben.

Dauernd projizieren Menschen beim Zuhören ihr eigenes Leben auf das Verhalten anderer Leute. Zum Schluss sagt man dann vielleicht auch noch: „Dieser Mensch versteht mich einfach nicht“. Doch in Wahrheit hören wir nicht richtig zu. Wir wollen euch zeigen, was man berücksichtigen sollte, um wirklich verstehen zu können.

Zuhören mit der Absicht zu verstehen

Richtiges Zuhören bedeutet mehr, als nur aufmerksam zu sein. Es bedeutet, sich in die sprechende Person richtig hineinzufühlen. Ich möchte diesen Artikel mit einem Zitat von Dr. Ralph Roughton beginnen, da man (wie wir von hafawo finden) es kaum besser beschreiben kann als er:
Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie fangen an mir Ratschläge zu geben, haben Sie nicht das gemacht, worum ich Sie gebeten habe. Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie fangen an mir zu sagen, weshalb ich mich nicht so fühlen sollte, trampeln Sie auf meinen Gefühlen herum. Wenn ich Sie bitte, mir zuzuhören und Sie haben das Gefühl, Sie müssen etwas tun, um mein Problem zu lösen, haben Sie mich, so seltsam das auch klingen mag, im Stich gelassen.

Hören Sie mir zu! Nur darum habe ich Sie gebeten: mir zuzuhören. Nicht zu sprechen oder irgendetwas zu machen – mich einfach nur anzuhören. Etwas tun kann ich selbst. Ich bin nicht hilflos. Wenn Sie etwas für mich tun, was ich selbst für mich tun kann und muss, tragen Sie zu meiner Angst und meinem Gefühl der Unzulänglichkeit bei. Wenn Sie es aber als eine Tatsache akzeptieren, dass ich mich so fühle, wie ich mich fühle, so komisch es auch wirken mag, brauche ich nicht mehr zu versuchen, Sie zu überzeugen und kann darangehen, zu verstehen, was hinter diesem komischen Gefühl steckt. Und wenn das klar ist, sind die Antworten offensichtlich und ich brauche keine Ratschläge.

Respektiere den Sprecher

Wenn dich ein Gespräch nicht interessiert, dann lasse es von vorne herein. Ohne Interesse kann man nicht richtig zuhören. Man tappt höchstens in die Falle, dass man nur so tut, als ob oder eben nur teilweise hinhört und beides ist schlecht. Dein Gegenüber wird das erkennen und wertet es im schlimmsten Fall als herablassend und arrogant. Da sollte man lieber gleich ehrlich sein und ein Gespräch ablehnen. Ich würde allerdings raten, sich einfach die Zeit zu nehmen. Neue Informationen können für dich nur von Vorteil sein. Manche Gespräche wirken zu Beginn vielleicht langweilig oder nichtig, können dir aber mit der Zeit zu einer völlig neuen Sichtweise verhelfen. Selbst wenn das nicht passieren sollte, kannst du durch interessiertes Fragen das Gespräch in eine interessantere Richtung steuern.

Die Voraussetzung ist jedoch immer, dass du die Meinung des Sprechers respektierst. Auf den ersten Blick sieht das natürlich so aus, als würden wir zur Leichtgläubigkeit raten; sozusagen: Glaube alles was dir erzählt wird. So ist es natürlich nicht. Der Punkt, um den es hier geht, ist das Vermeiden von bewerten und urteilen während dem Zuhören. Versuche das Gesagte so zu akzeptieren „wie es ist“ und richte nicht über wahr oder unwahr. Wenn du das machst, versäumst du oft kleine Hinweise der Botschaft. Wenn du deinen Sensor aber auf 100% Empfang und Akzeptanz einstellst, machst du dich bereit für die gesamte Nachricht.

Wissenschaftler behaupten, dass 75% aller Kommunikationen non-verbal (ohne Worte) erfolgen. Wenn du also die Worte wegnimmst, was bleibt dann übrig? Bei genauerer Betrachtung eigentlich sehr viel. Neben den Worten sendet der Sprecher eine Vielzahl von Botschaften, welche man berücksichtigen sollte. Hier ein paar Beispiele: Körperhaltung (starr oder entspannt, geschlossen oder offen); Gesichtsausdruck (spiegelt er tatsächlich die gesprochenen Worte?); Hände (verschränkt, offen, entspannt, verkrampft?); Augen (hält der Sprecher Augenkontakt?); Stimme/Ton (passt die Melodie zu den Worten?); Bewegungen (fließend, ruhig, ruckartig, sprunghaft, verkrampft). Man kann so herausfinden, ob der Sprecher ehrlich ist, oder ob seine non-verbale Kommunikation total widersprüchlich zu seinen Worten ist.

Passend dazu:  Die Macht des Zuhören und des (un)ausgesprochenen Wortes

Sei offen und tolerant

Oft stellt sich der Sprecher ungeschickt an und kann die richtige Botschaft nicht auf Anhieb zum Ausdruck bringen. Das kann natürlich sehr irreführend sein. Gerade hier ist deine Persönlichkeit gefragt. Es ist einfach aufzugeben, nur weil jemand stockend spricht, eine irritierende Stimme hat oder einfach nicht gut im Sprechen ist. Der Schlüssel zum guten Zuhören ist jedoch, über die Art der Übermittlung hinweg zu sehen und die wahre Nachricht zu verstehen. Damit du das schaffst, muss dein Geist frei sein und du darfst auf keinen Fall beginnen, den Sprecher auf Grund seiner Stimme oder Sprachqualität zu beurteilen. Wie oft passiert es, dass sich Menschen über sogenannte „Stotterer“ lustig machen?! Diese Leute wissen gar nicht, was sie den, in gewisser Weise benachteiligten Menschen, mit diesem Spott antun. Die wahre Botschaft kann hinter der gebrochenen Aussprache oft sehr, sehr wertvoll sein. Es ist erstaunlich, wie viel deutlicher wir tatsächlich „hören“ können, wenn wir uns dazu entscheiden, wirklich zuzuhören, anstatt zu kritisieren.

Viele Menschen denken, dass strukturiertes Zuhören der ideale Weg ist. Das heißt, dass man sich Fragen stellt wie: Was ist der wichtigste Punkt in der Aussage des Sprechers? Welche Schlüsselwörter (Zweck, Sinn, etc.) verwendet er? Doch das Problem ist hier wieder, dass man nicht wirklich hinhört, weil man schließlich analysieren muss. Es ist einfach besser, offen zu sein und die Informationen so aufzunehmen, wie sie kommen, ohne den Versuch zu Strukturieren oder Richter zu sein.

Weiters ist es sehr wichtig, sich vollkommen auf den Sprecher zu konzentrieren und sich nicht ablenken zu lassen. Das verlangt natürlich Disziplin. Hier sind einige Dinge, die dir dabei helfen, konzentriert zu bleiben: versuche jede Art der Störung von vorne herein zu unterbinden (Handy ausschalten, etc.) halte Blickkontakt, nimm eine angenehme Körperhaltung ein und lehne dich leicht vorwärts zum Sprecher, versuche die Worte richtig mit den Ohren „aufzusaugen“.

Der Talking Stick

Woran liegt es, dass, wenn wir jemanden etwas sagen hören, was absolut nicht unserer Meinung ist, sofort beginnen, geistig Gegenargumente zu formulieren? Ist das wirklich fair? Nein, absolut nicht. Es gibt viele Gründe für dieses Verhalten, aber meistens liegt es an der natürlichen Reaktion, Informationen sofort abzublocken, die einen Konflikt mit unseren bisherigen Wissen auslösen. Denke daran: Du kannst später immer noch das Gesagte widerlegen, aber erst solltest du dem Sprecher die Chance geben, seine Nachricht in vollem Ausmaß zu überbringen und du solltest diese auch 100%ig zu verstehen versuchen.

Eines der kraftvollsten Werkzeuge hinsichtlich der Kommunikation ist der Talking Stick. Er spielt schon seit Jahrhunderten bei den Indianern eine wichtige Rolle. Die Theorie sieht so aus: Nur die Person, die den Stock gerade hält, darf sprechen. Solange die Person den Stock hat, darf nur diese sprechen – bis sie überzeugt ist, das sie verstanden wurde. Niemand anders darf dazwischen reden, seinen Standpunkt darlegen und auch nicht Zustimmen. Der oder die andere(n) dürfen nur versuchen zu verstehen und das Verstandene in Worte fassen. Manchmal wird man seinen Standpunkt neu formulieren müssen, um sicherzustellen, dass man auch verstanden wurde. Sobald man sich aber verstanden fühlt, muss der Stock an den nächsten weitergegeben werden und nun daran arbeiten, dass dieser sich verstanden fühlt. Wenn er seinen Standpunkt vorlegt, müssen alle anderen richtig zuhören und seine Botschaft mit Ihren eigenen Worten wiedergeben, bis er sich verstanden fühlt. So übernehmen alle Beteiligten die Verantwortung für die gesamte Kommunikation.

Wenn sich plötzlich alle verstanden fühlen, passiert etwas Erstaunliches: es entsteht eine positive Energie, der Respekt voreinander wächst und die Leute werden einfallsreich. Neue Ideen tauchen plötzlich auf. Synergien entstehen.

Denke immer daran: Jemanden zu verstehen, bedeutet nicht ihm zuzustimmen. Es bedeutet die Dinge mit den Augen, dem Herz, dem Verstand und den Geist des anderen zu sehen. Verstanden zu werden, ist eines der tiefsten Bedürfnisse des Menschen. Wenn dich also das nächste Mal jemand bittet zuzuhören, dann „putz dir die Ohren“ und versuche zu verstehen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Wattestäbchenchroniken – Für richtiges Zuhören braucht man ein „offenes Ohr“

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