Tätowierte Hände

Was sich im ersten Moment widersprüchlich anhört, ist die erfüllendste Form von Verbindung mit einem anderen Menschen: frei verbunden zu sein.

Es bedeutet eine emotionale und intime Verbindung mit einem Menschen, die auf innerer Freiheit basiert.

Innere Freiheit ist die Unabhängigkeit von inneren Zwängen oder gefühlten Verpflichtungen. Diese innere Freiheit gibt uns Raum und Zeit für Entscheidungen.

Manche Menschen, denen ihre „Freiheit“ lieb und teuer ist und die sich deshalb nicht an einen Menschen binden wollen, leben äußere Freiheit.

Im Herzen sind sie unfrei. Sie haben Angst, sich zu binden. Oder zumindest haben sie Angst, aus einer Beziehung nicht herauszukommen. Gefangen zu sein.

Was manchmal nach enorm starker Persönlichkeit aussieht, ist in Wahrheit die Unfähigkeit, nein zu sagen: Bis hierher, bis heute und nicht länger.

„Dahinter steckt auch die Angst, dass sich einmal getroffene Entscheidungen nicht zurücknehmen lassen.“

So nehmen Freiheits-liebende Menschen ihre Angst und ihr Unvermögen, sich neuen Situationen anzupassen, mit in die Einsiedelei ihres Single-Daseins. Im Single-Dasein wird dieses Unvermögen nicht in Frage gestellt.

Diese Freiheit ist wie ein gläsernes Gefängnis, das man überall mit hinnimmt. Gefängnis-To-Go.

Entscheidungsfreiheit

Die Option, sich aus freien Stücken für einen anderen Menschen zu entscheiden und zu verbinden, beinhaltet die Möglichkeit, es zu unterlassen. Es geht um Entscheidungsfreiheit.

Nur wer wählen kann, kann frei entscheiden und damit Verantwortung für sich selbst übernehmen. Verantwortung für sich selbst kann nur übernehmen, wer eine Entscheidung zwischen wenigstens zwei Optionen hat.

Menschen, die verheiratet werden, führen ein unverantwortetes Eheleben. Menschen, die aus Liebe heiraten „müssen“, führen ebenfalls ein unverantwortetes Eheleben.

Aber immerhin aus Liebe könnte man meinen. Aber so, wie die Liebe sie zusammengeführt hat, so gehen sie auch wieder getrennte Wege, sobald die Liebe erloschen ist. Erst müssen sie „aus Liebe“ heiraten, dann müssen sie sich „wegen fehlender Liebe“ trennen.

Wenig Entscheidungsfreiheit, wenig Selbstverantwortung

Selbstverantwortlichkeit fängt dort an, wo ein Mensch eine Entscheidung treffen kann. Wer weder äußerlich und innerlich eine Wahl hat, kann keine Entscheidung treffen. Sein Handeln und Verhalten wird bestimmt. Es folgt einer einfachen Ursache-Wirkung-Reaktion.

Äußere Faktoren, die uns zu bestimmten Handlungen zwingen, sind in der Kindheit: Unsere Erzieher. Die Eltern, die Kindergärtnerinnen, die Lehrer.

Im Erwachsenenalter sind es die beruflichen Umstände. Die Aufgaben, die wir erledigen müssen. Die familiären Umstände. Der Partner, die Kinder, die Nachbarn. Und überhaupt.

Von wegen Umstände

„Die äußeren Umstände sind von innen nach außen projizierte Glaubenssätze und Gedanken.“

Das hältst du für Quatsch?!

Ein Beispiel: Die Schwiegermutter ist ein schwieriger Mensch, weil die betroffenen Schwiegersöhne oder -töchter den Glaubenssatz haben: Die Mutter meines Lebensgefährten soll sich immer aus meinen Angelegenheiten raushalten. Mit Kommentaren, ihren Ratschlägen und ihren Ansichten zu meiner Familie. Tut sie aber nicht.

Glaubenssätze prallen auf eine Frau, die nur tut, was sie für richtig hält. In unseren Augen aber tut sie genau das Gegenteil von dem, was sie tun sollte.

Unsere Glaubenssätze machen aus einer Frau mittleren Alters eine „Schwiegermutter“, die schwierig ist. Unsere Gedanken machen aus einer Frau „schwierige Umstände“.

Unser Geist produziert Umstände, unter denen er ächzt und stöhnt. Das ist wie einen Rote-Beete-Salat herstellen und den Salat nicht essen wollen, weil er nach roter Beete schmeckt.

Unser Geist wertet die reinen physikalischen Gegebenheiten auf oder ab. Aus Autofahrern, die zu schnell fahren, werden Idioten. Aus Partnern, die ihren eigenen Kopf haben, werden Beziehungsverweigerer. Aus Menschen, denen Pünktlichkeit wichtig ist, werden Spießer. Aus Menschen, die sich regelmäßig verspäten, werden Chaoten.

Unser Geist erzeugt eine Welt, aus der wir manchmal fliehen wollen. Er generiert Umstände, die uns zwingen Dinge zu tun, die wir nicht tun wollen.

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Uns wäre es lieber, die Umstände veränderten. Anders formuliert: Die Umstände sollen sich so verändern, dass wir weniger Stress mit ihnen haben und wir besser über sie denken.

Eine Lösung

Da wir erfahrungsgemäß kaum Einfluss auf den Umstand „Mitmensch“ haben, würde es auch reichen, unser Denken zu ändern. Ändert sich unser Denken, ändern sich die Umstände.

Wie heißt es so schön?! Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann.

Lasst uns anfangen.

Keine Verantwortung für sich übernehmen

Wer felsenfest glaubt, dass die Ehe oder eine Beziehung das Ende seiner Freiheit bedeutet, kann nicht zwischen zwei Optionen abwägen, die das Leben ihm bringt. Und er kann somit keine Entscheidung treffen.

Ohne Entscheidungsfreiheit kann er keine Verantwortung für sich übernehmen. Er versagt sich die Möglichkeit persönlicher Weiterentwicklung.

Wer felsenfest glaubt, dass er nur in einer Beziehung sein Glück findet, der hat keine Entscheidungsfreiheit. Für ihn ist es eine klare Angelegenheit, eine Beziehung haben zu wollen/müssen.

Seine Überlegungen lauten nicht „Ob“ oder „Ob nicht“, sondern er fragt sich: ist der oder die die Richtige.

Geschenk an sein Menschsein

Wer sich seiner Glaubenssätze bewusst ist, die er oft in der Kindheit gebildet hat, kann sie hinterfragen. Er kann überprüfen, ob sie tatsächlich noch Gültigkeit haben. Wer seine Freiheit und Unabhängigkeit durch eine Beziehung gefährdet sieht, könnte sich die Frage stellen:

Stimmt es wirklich, dass eine Beziehung das Ende meiner Freiheit ist?

Um spielerisch weiter zu philosophieren, ließe sich der Glaubenssatz auf den Kopf stellen:

„Eine Beziehung ist der Beginn meiner Freiheit.“

Könnte dieser Glaubenssatz auch wahr sein?

Mögliche Antworten sind:

Ja, denn eine feste Beziehung ermöglicht eine Intimität von Körper und Geist mit einem anderen Menschen, wie sie in einer Freundschaft nicht möglich ist.

Die Möglichkeit, sich intim auszutauschen, ist ein Geschenk an mein Menschsein.

Körperliche Intimität bedeutet körperliche Berührung und Sexualität.

Geistige Intimität beginnt beim Sich-Anvertrauen. Mit Worten und Gestik.

Die Scham ist der Schutzwall der Intimität, hinter der wir dem Partner scham-los und in unserer ungeschminkten Nacktheit begegnen können.

Ja, eine feste Beziehung bedeutet auch Freiheit, denn sie lädt uns zu einer persönlichen Auseinandersetzung ein. Sie gibt uns die Chance, als soziale Wesen zu reifen anstatt nur alt zu werden.

Der Verzicht

Wer sich bei der Auswahl verschiedener Optionen für eine Möglichkeit entscheidet, verzichtet auf andere. Auch Verzicht hat etwas mit Selbstverantwortung zu tun.

Wer glaubt, „alles mitnehmen“ zu müssen, entscheidet aus einer gewissen Unfreiheit heraus. Diese Unfreiheit ist die Angst vor der falschen Entscheidung.

Bei der Angst vor der falschen Entscheidung sieht man sich in naher oder ferner auf eine Situation zurückblicken, die man mit dem Verstand von heute bewertet.

Wenn ich heute meine jetzige Situation bewerte, dann mit dem Verstand von heute und nicht damals.

„Bei der Angst vor der falschen Entscheidung scheint man sich nicht vorstellen zu können, dass man sich stets weiterentwickelt.“

Der reuelose Verzicht will gelernt sein, denn Verzicht fühlt sich nach Verlust an. Verzicht ist aber Teil selbstverantwortlichen Handelns.

Wenn ich mich mit einem Menschen frei verbinde, verzichte ich gleichzeitig darauf, mit anderen Menschen eine ähnliche intime oder emotionale Verbindung einzugehen.

Wenn ich mich mit einem Menschen frei verbinde, schaffe ich auch einen Manövrierraum, in dem wir uns dynamisch entwickeln können.

Zum Autor

Ekke über sich: „Den Sinn meines Lebens sehe ich darin, die Lücke zu füllen, die ohne mich nicht wäre. Diese Lücke öffnet und schließt sich täglich neu.“

Mehr von Ekke Scholz auf seiner Homepage.

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