meditieren

Das erste Mal versuchte ich mit rund 13 Jahren zu meditieren. Ich saß auf dem rauen Teppichboden im elterlichen Wohnzimmer und folgte den Anweisungen einer Stimme, die sanft aus den Stereoanlagenlautsprechern zu mir sprach.

Mein Gehirn konnte keine Millisekunde abschalten. Frustriert brach ich den Versuch nach wenigen Minuten ab. Erst auf einer Indienreise sollte ich wieder mit dem Thema Mediation in Berührung kommen.

Fast 30 Jahre später gelingt mir das in Stille ausharren schon wesentlich besser. Allerdings bin ich immer noch kein Meister und von einer perfektionierten Praxis weit entfernt, obwohl ich die wohltuende Wirkung der Achtsamkeitsübungen spüre.

Ein interessanter Beitrag bracht mich vor einigen Wochen wieder dazu, dass ich mich nun jeden Abend hinsetze und meditiere. Denn tatsächlich gibt es wissenschaftliche Beweise für die positiven Wirkungen der Meditation. Es scheint so, als wären wir durch Achtsamkeitsübungen dazu in der Lage, wichtige Areale in unserem Körper zu beeinflussen.

Mit Meditation gegen Angst und Depression

In den letzten beiden Jahren nahmen depressive Störungen und Angstzustände weltweit zu. Wir alle leben seit vielen Monaten in einer ungewissen Welt. Schreckensnachrichten von Viren, Überlastungen des Gesundheitssystems und Long Covid jagen einander. Die psychische Gesundheit der Menschen leidet darunter.

Einige Wissenschaftler schreiben es der anhaltenden Corona-Pandemie sowie den damit verbundenen Maßnahmen zu, dass sich mehr Menschen mit Niedergeschlagenheit und Panik konfrontiert sehen. Ein gutes Hilfsmittel gegen depressive Verstimmung und Angst könnten Achtsamkeitsübungen darstellen.

Der Psychologe und Psychotherapeut Ulrich Stangier führte zwischen 2017 und 2019 eine Therapiestudie bei chronisch depressiven Menschen durch. Die 48 Probanden durften ihren Zustand im Rahmen der Forschung einerseits selbst einschätzen, allerdings wurde er zudem unabhängig bewertet. Sowohl direkt nach der Mediation und der Einzeltherapien als auch noch 6 Monate nach Abschluss der Studie wurden Verbesserungen der Lebensqualität und bei der Schwere der Depression festgestellt.

Die Frankfurter Studie ist nicht die Einzige, die darauf hindeutet, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen die Stimmung aufhellen. Auch im fernen Japan wurde Meditationsforschung betrieben.

Dr. Wataru Sato von der Universität Kyoto fand heraus, dass Menschen, die sich wiederholt in der Stille üben, optimistischer sind. Er konnte dies sogar im Gehirn nachweisen. Denn grundsätzlich ist es so, dass die Precuneus-Region im Gehirn bei glücklicheren Menschen größer ist. Bei Personen, die regelmäßig meditieren, wächst die graue Substanz unter anderem im Precuneus Bereich an. Dies könnte eine wissenschaftliche Bestätigung sein, dass wir durch Meditation unseren emotionalen Zustand und die Struktur im Gehirn verbessern können.

Ein weiteres Areal im Kopf, dass sich scheinbar durch Achtsamkeitsübungen positiv beeinflussen lässt, ist die sogenannte Amygdala. In der Amygdala entstehen unter anderem unsere Ängste. Nicht, dass Ängste etwas Schlimmes wären. Sie sind dazu da, unser Überleben zu sichern. Allerdings können Furcht und Sorge extrem ausgebildet sein. Dann leiden die Betroffenen unnötig darunter. Wer Panikattacken durchmacht, der ist in seinem täglichen Leben eingeschränkt.

Die wiederholte tiefe Besinnung kann dazu führen, dass die Amygdala nicht so schnell aktiviert wird. Bei echter Gefahr startet der kleine Mandelkern im Gehirn weiterhin deine Reflexe. Aber im normalen Alltag kann es zu weniger Einschränkungen durch unnötige Ängste kommen.

Wenn du täglich oder mehrmals wöchentlich meditierst, dann erhöht das zudem deine Fähigkeit zur Selbstregulation. In Angstsituationen behältst du dann leichter einen kühlen Kopf. Du nimmst zwar die Angst wahr, beispielsweise wenn du einen Vortrag vor einem großen Publikum halten musst. Aber du kannst souveräner mit der Emotion umgehen.

Für immer jung durch Meditation

Wer sich mit den positiven Auswirkungen von Meditation auseinandersetzt, der kommt um etwas Gehirn-Studium nicht herum. Insbesondere die grauen Gehirnzellen sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Die sogenannte graue Substanz ist für eine hohe Gehirnleistung mitverantwortlich.

Sie liegt am Außenrand unseres Denkorgans und hilft dir bei der Erinnerung genauso wie bei der Zukunftsplanung. Einige Forschungen deuten darauf hin, dass ein großer Anteil von grauen Zellen für eine höhere Intelligenz ausschlaggebend sein könnte. Mit steigendem Alter nimmt allerdings die graue Masse in unserem Kopf stetig ab.

Eine US-Studie mit dem Titel “Forever Young(er): potential age-defying effects of long-term meditation on gray matter atrophy” untersuchte den Zusammenhang zwischen grauen Zellen und Meditation. Sowohl bei Menschen, die sich regelmäßig in tiefer Besinnung übten als auch anderen, nahm die graue Substanz im Kopf mit steigendem Alter ab.

Interessant ist allerdings, dass die Meditierenden weniger graue Zellen verlieren als die Gleichaltrigen, die keine Achtsamkeitsübungen durchführten. Experten schätzten das Gehirnalter von 50-jährigen Studienteilnehmern, die meditierten auf 42,5 Jahre ein. Dadurch ist ein Hinweis gegeben, dass Meditation den Alterungsprozess im Kopf verlangsamen könnte.

Spannend ist, dass sich die positiven Effekte der Meditation auf verschiedenste Bereiche des Gehirns auswirkt. Auch die weiße Substanz im Inneren des Denkapparates ist betroffen. Bei diesen Nervenzellen ist ebenfalls nach regelmäßiger Achtsamkeitspraxis ein Zuwachs zu beobachten.

Um erste Verbesserungen im Gehirn messen zu können, brauchst du keine jahrelange Übung. Bereits nach zwei Monaten regelmäßiger Meditation verändern sich die Strukturen im Kopf. Wenn das kein Ansporn ist, sich täglich ein paar Minuten Auszeit zu gönnen!

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Mit Inner-Work zu einem starken Immunsystem

Heutzutage ist es wichtiger denn je, dass dein Abwehrsystem einwandfrei funktioniert. Neben einer ausgewogenen Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung an der frischen Luft, kann auch Entspannung helfen.

Bist du nach einer stressigen Phase im Job oder Privatleben schon einmal krank geworden? Tatsächlich kann Stress unser Immunsystem schwächen. Das gilt nicht, wenn du an manchen Tagen einfach viel zu tun hast. Schwierig wird es erst, wenn sich unser Organismus nicht mehr erholen kann. Für kurzzeitige Herausforderung ist unser System wunderbar ausgelegt, an permanenter Überlastung kann es aber kaputtgehen.

Erstaunlicherweise gibt es Erkenntnisse, dass bereits 10 bis 15 Minuten tägliche Meditation, deinem Immunsystem einen echten Booster verleihen könnten. Die Wissenschaftlerin Carolyn Y. Fang von der Temple Universität in Philadelphia fand heraus, dass ihre Studienteilnehmer nach regelmäßigen Achtsamkeitsübungen eine stärkere Abwehr entwickelten.

Ihre Killerzellen waren deutlich aktiver. Im Blut konnten außerdem weniger Entzündungszeichen nachgewiesen werden. Zusätzlich fand Frau Fang das sogenannte C-reaktive Protein bei ihren Probanden. Diese Substanz kurbelt die Abwehrreaktionen im Körper an.

Wenn du dich gegen Krankheiten besser wappnen möchtest, dann solltest du direkt mit dem regelmäßigen Meditieren loslegen. Versuche die ersten drei Wochen jeden Tag deine Achtsamkeitsübungen zu machen. Am besten trägst du dir eine Erinnerung in deinen Fotokalender ein. Neue Verhaltensweisen gehen normalerweise nach 21 Tagen in Fleisch und Blut über. Dann braucht es die Erinnerung vielleicht nicht mehr.

Nebenwirkungen von Mediation

Nach allem, was du bisher gelesen hast, klingt Mediation sicherlich wie ein Wundermittel. Da stimme ich dir zu. Nur gibt es auch Stimmen, die sich gegen Achtsamkeitsübungen sprechen. Sie wollen ebenfalls gehört werden.

Im Jahr 2017 erforschten Wissenschaftler der Brown Universität und der Universität von Kalifornien, ob Mediation auch Nebenwirkungen haben kann.

Gerade, wenn du mit dem Meditieren anfängst, kommen dir alle möglichen Erinnerungen und Gedanken in den Sinn. Bei manchen Menschen steigen negative Erlebnisse aus dem Unterbewusstsein hoch, die sie verdrängt hatten. Dadurch kann es zu Angstzuständen kommen.

Vielleicht verbindest du mit dem Gedanken an Mediation auch ein Bild von indischen Gurus, die einsam in irgendwelchen Höhlen oder Tempeln hausen. Sie ziehen sich völlig von der Welt zurück und widmen ihr Leben den geistigen Dingen.

Einige Wissenschaftler sehen bei Mediation tatsächlich einen Rückzug von den Mitmenschen und dem täglichen Leben als kritisch. Wer sich zu sehr der Spiritualität hingibt, der kann den Bezug zum Alltag verlieren. Teilweise fehlte bei den Studienteilnehmern auch die Motivation, sich im Beruf oder in anderen Lebensbereichen zu engagieren.

Folgende weitere mögliche Nebenwirkungen wurden in der Forschungsarbeit von 2017 zusammengefasst:

• Schlafstörungen, Müdigkeit
• Kopfschmerzen, Schwindel
• Allgemeines Schwächegefühl
• Schmerzen, Druck
• Magen-Darm-Probleme

Die Forscher selbst sagen, dass sie keinen eindeutigen Nachweis für die negative Wirkung von Meditation gefunden haben. Es gibt nur einige Hinweise darauf, dass Achtsamkeitsübungen möglicherweise nicht der Heilige Gral sind.

Gesunde Meditation heißt in Balance bleiben

Wahrscheinlich gilt bei Meditation die gleiche Weisheit wie bei allen anderen Dingen. Die Dosis macht das Gift. Wer sich monatelang komplett von der Außenwelt zurückzieht, der wird ziemlich sicher Probleme im Job, mit der Familie und mit Freunden bekommen.

Aber es spricht nichts gegen eine tägliche Achtsamkeitsübung von 10 bis 30 Minuten. Achte auf deinen Körper und dein Gemüt. Wie geht es dir nach der Meditation? Die allermeisten Menschen fühlen sich danach entspannt und ruhig. Dein gesamtes System kann herunterfahren, wodurch ein hervorragender Gegenpol zum stressigen Alltag geschaffen wird. Wer immer wieder Ruhephasen einbaut, der stärkt das Immunsystem, das Gehirn und auch den Hormonhaushalt.

Aber was ist mit den möglichen Nebenwirkungen? Vielleicht wirst du tatsächlich einmal mit traumatischen Erinnerungen konfrontiert. Ist das wirklich so schlimm? Möglicherweise kommen diese Gedanken während der Meditation zum Vorschein, weil sie gesehen und verarbeitet werden wollen. Verdrängen ist keine dauerhafte Lösung.

Mach dir klar, dass du jetzt in einer sicheren Umgebung bist und dir nichts passieren kann. Dann schau hin. Was wollen dir deine Erinnerungen sagen? Wenn Ängste hochkommen, konzentriere dich wieder auf deinen Atem. Sauge die Luft ruhig und tief in deine Lungen und lasse sie langsam entweichen. Mit dem Atem kannst du dich beruhigen.

Falls du deine Erlebnisse nicht alleine verarbeiten kannst, dann hole dir professionelle Unterstützung.

Die positiven Effekte der Mediation überwiegen in der Regel deutlich. Deshalb baue die Übungen direkt in deinen Alltag ein.

Mir hat es geholfen, dass ich mir keine Zeitvorgabe setze. Wichtig ist nur, dass ich täglich meditierte – selbst wenn es nur für 20 Sekunden ist. Meistens bleibe ich viel länger sitzen. Nach einigen Wochen mag ich mir nun ein Zubettgehen ohne meine Übung nicht mehr vorstellen.

Photo by Conscious Design on Unsplash

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