Kick out your boss

Der provokante Titel ist Programm: Mit ihrem Dokumentarfilm „Kick Out Your Boss“ gibt Elisabeth Scharang Einblicke in alternative Arbeitsformen und -strukturen, die sie in Unternehmen in Österreich, Serbien und Brasilien aufgespürt hat. Kann Arbeit anders organisiert werden – ohne Existenzangst, Lohndumping und Burn-out?

Schon auf der Homepage des Films muss man entweder „I hate my work“ oder „I love my work“ anklicken, um zu weiteren Inhalten zu gelangen. Was als interaktive Plattform fungieren soll, ist Teil eines Konzepts, das dem Publikum Platz lässt, Stellung zu beziehen. Regisseurin Scharang präsentiert die Ergebnisse ihrer Recherche wertfrei, belehrt nicht, sondern zeigt Möglichkeiten auf – mehr dazu im ORF.at-Interview mit Scharang – „Wie ein erster Kuss“.

Drei Firmen, drei Länder, drei Visionen

In „Kick Out Your Boss“ (der Film wurde vom ORF im Rahmen des Film/Fernsehabkommens gefördert) werden drei Unternehmen mit drei Visionen aus drei verschiedenen Ländern vorgestellt. Die Grazer Design- und Technologieschmiede En Garde ist ein Kollektiv aus jungen Grafikern und Designern, die sich einem Credo verschrieben haben: „Liebe deinen Job und du musst nicht mehr arbeiten.“ Nachhaltigkeit, Vernetzung und Wissensaustausch zählen hier mehr als Konkurrenzkampf und Profit. „Es geht darum, dass Arbeit nicht Last, sondern Leidenschaft ist, und dass Arbeiten sich dadurch auflöst“, meint En-Garde-Gründungsmitglied Mario Rampitsch. Gezeigt wird der Arbeitsalltag in Projekten aus den Bereichen Kultur, Industrie, Retail, Medien und Mode, wo alle Beteiligten auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren scheinen.

Im brasilianischen Metallverarbeitungsunternehmen Semco wird regelmäßig eine bestimmte Frage gestellt, um die Zufriedenheit der Mitarbeiter festzustellen: „Wie gerne steht man Montagfrüh auf und geht zur Arbeit?“ In den 1980er Jahren von Ricardo Semler gegründet, verfolgt die Firma das Konzept „Management ohne Manager/innen“. Semler – von seinen Angestellten als Enthusiast bezeichnet – glaubt an Mitsprache, Unternehmensbeteiligung der Arbeiter und Selbstbestimmung. Bei Semco gibt es weder fix zugeteilte Schreibtische noch feste Arbeitszeiten, und Vorgesetzte werden von ihren Angestellten selbst gewählt.

Hierarchien infrage stellen

Semler, der die Geschäfte nur noch als graue Eminenz im Hintergrund beobachtet, kritisiert das reguläre Schulsystem in Brasilien und im Rest der Welt und stellt den Sinn gängiger Hierarchien infrage. Lässig in Jean und Poloshirt, erklärt er – zu Hause auf seiner Designercouch sitzend – seine Philosophie eines partizipativen Firmenmodells. Beweise dafür, dass hier nicht nur heiße Luft geplaudert wird, werden im Film angeführt.

Passend dazu:  Ich brauche Arbeit und ich brauche Geld

Damit Mitarbeiter, die keine höhere Schulbildung haben, ebenfalls über Bilanzen und dergleichen diskutieren können, wurde ein Comic angefertigt, der komplexe Vorgänge anschaulich macht. Man kann sich einen freien Wochentag für zehn Prozent seines Gehalts zurückkaufen, und es gibt Gutscheine, die Mitarbeitern garantieren, dass sie auch nach der Pensionierung noch stundenweise für das Unternehmen tätig sein können. „Wann immer es geht, komme ich her,“ sagt einer der betroffenen Pensionisten. „Es macht mich glücklich.“

Arbeitsplatz als Zuhause

Szenenwechsel zur anderen Seite des Planeten: Anhand der serbischen Pharmafabrik Jugormedija zeigt Scharang, welche Auswirkungen es hat, wenn Arbeiter im Sozialismus aufwachsen und im Kapitalismus groß werden. Nach jahrelangem Kampf gegen die Privatisierung ihres Unternehmens haben die Arbeiterinnen und Arbeiter den Betrieb in Selbstverwaltung übernommen.

Hier war nicht das Streben nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Motor, sondern die schlichte Überlebensfrage. Der Stellenwert der Arbeit ist jedoch vergleichbar mit dem „modernen“, aufgeschlossenen Bild bei En Garde und Semco. „Die Fabrik ist wie ein Zuhause für mich, und meine Kollegen sind wie meine Verwandten“, sagt eine der Arbeiterinnen.

Ausweg aus dem Teufelskreis

Scharang versucht unaufgeregt und auf sehr menschlicher Ebene zu zeigen, wie Systeme aufgebrochen werden können, um Neues entstehen zu lassen. Mit Fragen wie „Was macht dich froh?“ bringt sie ihre Protagonisten immer wieder zur Kernfrage des Films zurück: Wie gestaltet man sein Leben so, dass Berufliches und Privates in Einklang stehen können?

In Zeiten von 197 Millionen Arbeitslosen weltweit möglicherweise ein Luxusproblem, vielleicht aber auch ein Ausweg aus dem Teufelskreis von Existenzangst, Lohndumping und Burn-out.


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